
Mein zweites leben
Als ein schrecklicher Unfall seine Welt aus den Fugen riss, hatte der in Australien lebende H.O.G.® Member Bob Rees nur zwei Möglichkeiten: entweder aufgeben oder noch einmal ganz von vorn anfangen. Dies ist die Geschichte von einem Mann, der sich aus den Tiefen absoluter Verzweiflung befreit hat und neuen Lebensmut gewonnen hat
Text: Steve Moore
Die Katastrophe geschah auf einer Fahrt durch eine gottverlassene Gegend im Norden Malawis. Es war für das in Australien lebende Paar Chris und Bob Rees, beide passionierte Motorradreisende, ihre zweite große Fahrt durch Afrika.
“Wir wurden auf einer schmalen einspurigen Brücke, die wir überquerten, einfach über den Haufen gefahren”, erklärt Bob. “Wir waren bereits auf der Brücke, als auf der anderen Seite ein Auto auftauchte. Es fuhr immer schneller auf uns zu, bis es uns voll auf die Hörner nahm. Ich hatte keine Möglichkeit auszuweichen.” Als er auf den Boden aufschlug, wusste Bob, der heute 75 Jahre alt ist, sofort, dass seine Wirbelsäule gebrochen war. Chris, die auf dem Soziusplatz gesessen hatte, war zwar verletzt, konnte sich aber immerhin aufsetzen. “Ich dachte, es würde ihr gut gehen”, sagt Bob.
Bewohner des nächsten Dorfes packten die beiden in Ermangelung eines Krankenwagens auf die Ladefläche eines Dreitonner-Lastwagens, um sie ins nächste Krankenhaus zu fahren – Schmerzmittel hatten sie allerdings keine. Es wurde noch tragischer: Nach fünf Stunden Geholper über raue Pisten war Chris den Strapazen nicht mehr gewachsen. “Sie starb an einer Fettembolie – ein Blutgerinsel war von ihrem verletzten Knie aus in ihren Kopf gewandert.” Bob macht eine Pause. “Wir waren 47 Jahre lang verheiratet, in denen wir unsere Kinder großgezogen haben und viel Motorrad gefahren sind. Sie war mein Ein und Alles gewesen. Ich war untröstlich und hatte extreme Schmerzen.”


Bob sagt, es wäre viel einfacher für ihn gewesen, wenn er in Afrika gestorben wäre, aber er wollte seiner beiden Töchter Alex und Katrina und seiner Enkelkinder wegen weiterleben. “Es wäre für sie ja noch schrecklicher gewesen, wenn auch ich gestorben wäre.”
Die Genesung ging langsam voran. Bob war über fünf Monate lang im Krankenhaus. “Es war alles sehr hart, aber ich dachte bereits darüber nach, wie ich wieder Motorrad fahren könnte. Genau das hätte Chris gewollt”, sagt er und erinnert sich an seine schwerste Stunde. “Als sie im Sterben lag, gelang es mir, mich ihr zuzuwenden, so dass wir unsere Hände halten und uns sagen konnten, wie sehr wir uns liebten. Sie sagte mir, was für ein fabelhaftes Leben wir geteilt haben und dass sie alles genauso noch einmal machen würde.”
Bob sieht dies als sein zweites Leben an. “Mein erstes Leben war das mit Chris und mit all dem, was wir zusammen gemacht haben”, sagt er. “Es fühlt sich so an, als wäre ich gestorben und zurückgekommen, deshalb muss ich jetzt dem Ganzen einen Sinn geben. Sonst hat das alles keinen Wert.”


Die lange Liste der Verletzungen, die sich Bob bei dem Unfall zugezogen hat, hat ihn zu einem an den Rollstuhl gefesselten Querschnittsgelähmten mit Platten und Schrauben im ganzen Körper gemacht. Trotzdem ist er entschlossen weiterzuleben. Er hat bereits sein Haus in Albany im Westen Australiens und sein Auto so umgebaut, dass er ein unabhängiges Leben führen kann. Sein nächstes Ziel ist ein Motorradgespann mit einer umgebauten Harley-Davidson® Sport Glide®, das er fahren kann.
Zuvor waren Bob und Chris immer mit BMW Motorrädern unterwegs. Bob besitzt immer noch zahlreiche Maschinen, darunter auch eine BMW R 100 RS mit 320.000 Kilometern auf der Uhr sowie eine Harley-Davidson Model J von 1923. Jetzt allerdings brauchte er ein hochspezialisiertes Fahrzeug, das seinen Bedürfnissen entspricht. Als Ausgangsbasis dafür diente eine Sport Glide, die verschiedene Vorteile mit sich bringt. Dazu gehören unter anderem der robuste Rahmen, die niedrige Sitzhöhe und die Auspuffanlage, die auf nur einer Seite des Motorrads verlegt ist.
Mit der technischen Unterstützung seines guten Freundes Brendan Flower hat Bob ein spezielles Gespann auf die Räder gestellt. Zu den Besonderheiten zählen eine hydraulische Rampe mit zusätzlicher Batterie, ein 16 Liter fassender Zusatztank, eine große Box für die Fülle an medizinischen Utensilien, die Bob mit sich führen muss, und eine angepasste Reisetoilette. Die damit einhergehenden hundert Kilo Zusatzgewicht machen es nicht gerade einfacher, das Gespann zu fahren, aber immerhin hat er jetzt die Freiheit, sein zweites Leben in vollen Zügen zu genießen und wieder zu reisen. Bob stammt übrigens ursprünglich aus Wales, deshalb der Drachen auf dem Seitenwagen. Anfang des Jahres hat er sein Dreirad per Schiff nach Großbritannien geschickt und ist selbst dorthin geflogen, um sein erstes Motorradabenteuer ohne Begleitung in Angriff zu nehmen.


Zuerst musste Bob seine Familie im walisischen Cardiff und einen Freund besuchen, der jetzt im schottischen Edinburgh lebt. Danach war er damit beschäftigt, Menschen in ganz Europa zu besuchen, die zum Teil ein ähnliches Schicksal erlitten haben wie er. Dazu gehören Christophe, ein einarmiger Sportmotorradfahrer aus Frankreich, Tirns, ein holländischer Harley Fahrer, dem der linke Arm und das linke Bein fehlen und der sich sein eigenes Trike gebaut hat, sowie ein weiterer Niederländer, der seit einem Autounfall querschnittsgelähmt ist. “Jelle besaß ein 12-Meter-Boot, das sein Dorf für ihn umgebaut hat. Er hatte mich eingeladen zu bleiben, damit wir zusammen aufs Wasser hinaus konnten.”
Als begeisterter Motorsport-Fan wollte Bob unbedingt die TT auf der Isle of Man erleben. Dort traf er den australischen Rennfahrer Cam Donald, der zweimal bei der TT gewonnen hat, und den britischen Rennfahrer Colin Stockdale, der ihm Fahrerlagerkarten zur Verfügung stellte, damit er mit seinem Gespann bis zu den Boxen vorfahren konnte, wohin normalerweise nur die Rennmaschinen dürfen. Bob traf auch eine Reihe von behinderten Motorradfahrern, darunter den neuseeländischen Straßenrennfahrer Grant ‘Mad Dog’ Madden, der an einer fortgeschrittenen MS leidet und den Bob in seinem Seitenwagen auf eine Runde über die legendäre Rennstrecke mitgenommen hat.
Bob setzt sich ständig für bessere Einrichtungen für Behinderte ein und wird dabei dadurch gestärkt, dass er auf so viele Gleichgesinnte trifft. “Das Verrückte ist, dass ich ohne den Unfall niemals all diese tollen Menschen kennengelernt hätte”, sinniert er. “Überall, wo ich hinkomme, sind die Leute erstaunt, dass ich das allein und ohne Betreuer mache. Die Tatsache, dass ich Motorrad fahre, vergrößert nur ihr Erstaunen”, sagt er.


Eine weitere Facette von Bobs zweitem Leben ist die Musik. Ursprünglich als eine Form der Therapie gedacht, hat er eine Leidenschaft für das Schreiben und Aufführen seiner eigenen Songs entwickelt und nun ein Album mit dem Titel The Journey auf Spotify veröffentlicht. Die Musik ist eine weitere Plattform, um seine Botschaft zu verbreiten.
“Ich habe die letzten drei Jahre damit verbracht, mich für die Community der Behinderten einzusetzen, zu versuchen, die Dinge zu verbessern und mein zweites Leben lebenswerter zu machen”, sagt er. Er arbeitet eng mit dem Rat seiner Gemeinde zusammen und spricht regelmäßig öffentlich über das Leben mit einer Behinderung sowie darüber, wie alles besser werden kann.
Bob gibt zu, dass es immer noch einige sehr harte Tage gibt, aber seine Lebensfreude ist ansteckend. “Ich sehne mich immer noch wie verrückt nach meiner Frau, aber ich muss damit klarkommen und weitermachen”, sagt er. Seine nächsten Stationen sind die USA und Kanada. In Kürze hier mehr Infos!
Bob ist Harley-Davidson sehr dankbar für die Unterstützung und möchte sich bei allen bedanken, die ihn bisher auf seinem zweiten Lebensweg begleitet haben.
Man kann ihm auf Facebook folgen, und er ist auch auf empoweredpara.com, aktiv, einer ermutigenden Informationsquelle für alle, die mit einer Behinderung leben.
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